Interview mit Kerstin Röpe:

Es ist ein sonniger Nachmittag als ich mit dem Fahrrad bei Familie Röpe auf den Hof fahre. Ich stelle mein Gefährt ab und klingle Punkt 18 Uhr. Eine strahlende Kerstin öffnet mir die Tür und führt mich durch den Flur, auf dem mir direkt ein riesiger Teddybär mit Handball-Trikot ins Auge fällt. Den hat Tochter Mia von ihrer Mannschaft bekommen, als sie Anfang des Jahres am Kreuzband operiert wurde. Dieses hatte sie sich – wo auch sonst – beim Handball Spielen gerissen. Im Wohnzimmer wartet ein gedeckter Tisch mit Getränken und selbstgemachtes Blätterteigschnecken auf uns. In Zeiten von Corona natürlich versetzt und mit genügend Abstand. Und so können wir unser Interview beginnen.

Patricia: Weißt du, wie lange du schon Mitglied im TSV Eystrup bist?
Kerstin: (denkt kurz nach) Ich würde sagen wieder seit 2000. Als Kind war ich natürlich auch schon sehr früh im Verein. Meine Mama hat das Mutter-Kind-Turnen betreut und da war ich natürlich mit dabei. 1988 habe ich dann den Verein gewechselt.

Patricia: Warum hast du dem TSV damals den Rücken gekehrt?
Kerstin: Unsere Mannschaft wurde aufgelöst als ich in der A-Jugend war. Es gab einfach zu wenige Spielerinnen. In Hoya hatte ich viele Klassenkameradinnen und die die Busfahrkarte dahin. Somit bot es sich an, den Verein zu wechseln. Eigentlich wollte ich damit nur das Jahr überbrücken, bin dann aber doch für 10 Jahre dort hängen geblieben. Dann habe ich noch zwei Jahre in Bierden gespielt und dann kam auch schon Mia. Als sie dann drei oder vier Monate alt war, bin ich wieder in Eystrup in den Verein eingetreten.
Patricia: Das heißt Handball hat dich zum TSV Eystrup gebracht?
Kerstin: Genau genommen war es erst einmal das Turnen. Angefangen mit dem Mutter-Kind-Turnen und dann das Kinderturnen, das damals noch richtiges Geräteturnen war mit Mathilde Göllner und Christa Schöpke, wie sie damals noch hieß. Zurückgekommen aber dann natürlich für und wegen Handball!

Patricia: Kannst du dich noch erinnern, was das erste Amt war, das du beim TSV Eystrup hattest?
Kerstin: Ein richtiges Amt war wohl wirklich erst das Trainer Dasein beim Handball. Ich habe zwar vorher auch schon beim Turnen geholfen als ich 12 und die anderen sechs oder sieben waren, aber das kann man ja nicht wirklich als Amt bezeichnen. Als ich noch in Hoya gespielt habe, habe ich mal mit Magnus Hustedt die weibliche B-Jugend trainiert. Meine eigenen Mannschaften kamen dann aber erst 2002.
Patricia: Und hast du dafür einen Trainerschein gemacht oder kannst du viel durch deine langjährige Erfahrung profitieren?
Kerstin: Nein, einen Trainerschein habe ich nicht gemacht! Es gibt einen Kinder-Handball Grundkurs, den habe ich besucht und wenn es Workshops mit spannenden Themen gibt, nehme ich daran auch sehr teil. Aber die Voraussetzungen für einen Trainerschein sind so hoch angesetzt, das kann und möchte ich gar nicht erfüllen. Für die Kleinen reichen der Grundkurs und meine Erfahrung.
Patricia: Die Erfahrung ist wahrscheinlich auch das Wertvollste oder?
Kerstin: Auf jeden Fall! Wobei ich bei den ganz Kleinen auch schon mit Helfern gearbeitet habe, die noch nie selbst Handball gespielt habe. Da ist wichtig zu wissen: Das ist das Tor, da muss der Ball rein! Dabei ist es wichtiger, dass man mit Kindern umgehen kann und der Rest ergibt sich von ganz alleine. Später bei den Größeren muss es natürlich schon etwas mehr sein, damit die auch weiterkommen.
Patricia: Ab wann kann man wirklich vom Handball Spielen sprechen?
Kerstin: Offiziell fangen wir mit 5 Jahren an. Das ist dann Mini-Handball auf dem Querfeld, wo die Regeln noch sehr locker ausgelegt werden. Aber auch da geht es schon Richtung Handball. Das sind in der Altersklasse dann aber nur Turniere. Der Ligabetrieb geht erst nach der E-Jugend los.
Patricia: Das ist das Schöne an dem Sport, dass er schon sehr früh „gespielt“ werden kann oder?
Kerstin: Auf jeden Fall! Das Werfen geht relativ schnell. Mit dem Fangen ist es dann schon etwas schwieriger. Aber das ist am Anfang ganz egal. Irgendwann kommt der Ball schon da angerollt, wo er hin soll. (wir müssen beide schmunzeln)

Patricia: Aus den bisherigen Antworten kann man es schon erahnen, aber was genau sind denn deine heutigen Aufgaben im TSV?
Kerstin: Ich trainiere die Minis und Maxis und ab der nächsten Saison zwei E-Jugend Mannschaften, weil ich aktuell so viele Kinder dabei habe. Die trainieren zwar zusammen, aber für die Turniere sind sie als zwei Mannschaften gemeldet, damit auch wirklich jeder zum Spielen kommt. Bei über 20 Kindern soll jeder mal auf dem Feld stehen.
Patricia: Über 20 Kinder?
Kerstin: Ja, wir haben dieses Jahr einen enormen Zulauf gehabt und ich hoffe, dass die auch alle wieder kommen, wenn das dann alles wieder weitergeht!
Patricia: Die freuen sich doch bestimmt, wenn es wieder losgeht.
Kerstin: Vor zwei Wochen habe ich schon draußen angefangen – natürlich ohne Passspiel. Das ist schon…sehr anders! Aber auch da sind über die Hälfte der Kinder wieder mit dabei.
Patricia: Und sind die Eltern dann froh, ihr Kind abgeben zu können oder helfen die auch mal mit?
Kerstin: Das ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Aktuell habe ich aber sehr viele engagierte Eltern, die auch mal zum Zuschauen bleiben (aktuell natürlich nicht!). Ansonsten helfen mir Tim und Birgit, da brauchen wir gar keine weitere Unterstützung. Zu den Turnieren müssen die Eltern dann natürlich auch mal fahren oder den Verkauf bei Spielen zuhause übernehmen. Das klappt aktuell ganz gut.
Patricia: War das auch mal anders?
Kerstin: Definitiv! Es gab ein Jahr, da haben alle ihre Kinder für ein Turnier einfach nur abgeliefert und keiner blieb, um als Fahrer mitzukommen. Das hatte ich noch nie! Da musste ich mir dann den letzten Vater schnappen und den verpflichten. Sonst wären wir nicht losgekommen! (wir müssen lachen) Aber das war wirklich nur ein einziges Mal!

Patricia: Kommen wir noch mal auf deine sportliche Karriere zu sprechen: Gibt es Highlights, an die du dich gerne erinnerst?
Kerstin: Gibt es, allerdings nicht in Eystrup.
Patricia: Das ist gar kein Problem!
Kerstin: Mit Hoya sind wir zwei Mal aufgestiegen und in Bierden habe ich dann Oberliga gespielt.
Patricia: Das heißt der Wechsel nach Bierden kam auch wegen der sportlichen Herausforderung zustande?
Kerstin: Ja, das war eher so ein Misch. Die Mannschaft in Hoya hat sich wieder aufgelöst und unser Trainer war vorher schon in Bierden aktiv und so hat sich das dann ergeben. Natürlich hat es mich aber auch gereizt noch mal eine Klasse höher zu spielen.

Patricia: Gab es denn auch einen sportlichen Tiefpunkt, Verletzungen oder ähnliches?
Kerstin: Leider ja. In einem Spiel habe ich mir mal die Achillessehne gerissen.
Patricia: Wie ist das denn passiert?
Kerstin: Das habe ich erst gar nicht gemerkt. Hinter mir hat es geknallt. Ich dachte, da wäre mir jemand in die Beine gesprungen, aber da war niemand. Also war schnell klar, dass die durch ist. Da dachte ich okay, das war es dann wohl mit Handball. Da war Mia 1,5 Jahre alt. Damals dann noch mit OP, was man heute gar nicht mehr macht. Dann hatte ich eine sehr lange Pause und als ich wieder anfangen wollte, war ich mit Jalte schwanger. Eigentlich hatte es sich für mich dann erledigt, aber irgendwie haben sie mich dann doch wieder überredet. Und dann habe ich doch noch mal 10 Jahre gespielt.
Patricia: Und in der Zeit noch mal Kreuzbandrisse mitgenommen?
Kerstin: Nein, toi toi toi. Die Knie sind bei mir nie kaputt gewesen. Auch Füße und Bänder haben gut gehalten!
Patricia: Kapselrisse? Das ist doch eine typische Handballverletzung?
Kerstin: Nicht ärztlich bestätigt. (wir müssen wieder lachen) Aber da war sicher das eine oder andere schon mal kaputt.

Patricia: Hast du neben dem TSV Eystrup noch einen anderen Lieblingsverein?
Kerstin: Natürlich die Vereine, in denen meine Kinder aktiv sind. Liska ist in Verden, Mia in Nienburg und Jalte spielt Fußball in Heeslingen. Ansonsten fahren wir gerne mal nach Burgdorf zum Handball gucken.

Patricia: Gibt es denn Highlights, die du direkt mit dem TSV verbindest?
Kerstin: Ein absolutes Highlight war der Besuch in Hamburg im Jahr 2009. Da durften etwa 30 Handballkids als Einlaufkinder ganz nah an den Großen sein. Über einen Malwettbewerb, für den wir beim Training zwei große Plakate gezeichnet hatten, haben wir die Teilnahme gewonnen. Dafür haben wir uns extra T-Shirts drucken lassen. Zum Umziehen gab es eine eigene VIP Kabine. Dann wurde Spalier gestanden und mit dem Handball Clown eingelaufen. Am Ende gab es noch Untergramme von den Stars. Definitiv ein Tag, an den sich alle erinnern werden.

Patricia: Gehen wir mal etwas weg vom TSV. Hast du ein Morgenritual?
Kerstin: Aufstehen, duschen, Frühstück machen und die Kinder aus dem Bett schmeißen (lacht).

Patricia: Wie hältst du dich denn selbst fit?
Kerstin: Also am liebsten tatsächlich mit Handball. Ich habe seit etwa einem Jahr eine Truppe in Verden gefunden – Rentnerhandball hätte ich fast gesagt (ich muss lachen). Die Retros nennen die sich. Alle 35 plus und trainieren einmal die Woche.
Patricia: Mit 35 schon Retro?
Kerstin: Ja, für Handball ist das schon relativ alt. Wobei – ich habe gespielt bis ich 43 Jahre alt war, aber das ist eher die Ausnahme. Aber dort sind alle aus dem aktiven Spielbetrieb raus. Das ist just for fun. Ab und zu mal ein Feldturnier, aber das war es dann auch schon. Aktuell läuft auch da natürlich nichts und deshalb gehe ich zwei Mal die Woche laufen.
Patricia: Also kein Fitnessstudio oder ähnliches?
Kerstin: Nein! Ich habe ja die Kinder, die halten mich ganz gut auf Trab und natürlich machen wir auch da mal ein paar Kraft- und Koordinationsübungen. Und dabei habe ich den Anspruch, dass ich nichts von denen verlange, was ich nicht auch selbst kann. Deshalb trainiere ich auch nur die Kleinen (wir lachen).

Patricia: Was meinst du: Warum wird es den TSV Eystrup auch in 100 Jahren noch geben?
Kerstin: Weil es hoffentlich immer noch engagierte Leute gibt, die vor allem die Kinder begeistern können Sport in der Gemeinschaft zu machen. Das hoffe ich zumindest, dass es nicht noch mehr in die Richtung Individualsport oder nur noch auf dem Sofa vor dem Bildschirm sitzen geht. Und dass die Leute noch lange Lust am Handball, Fußball, Turnen – was auch immer – haben.

Patricia: Wir haben einen großen Punkt noch ausgelassen. Du bist ja auf der JHV des TSV als Sportlerin des Jahres gekürt worden. Kam das für dich überraschend?
Kerstin: Ja!
Patricia: Sehr gut. Aber du wurdest doch bestimmt gebeten, bei vor Ort dann auch da zu sein oder?
Kerstin: Frank hat gesagt, ich soll doch mal mitkommen.
Patricia: Und das hat gereicht – sehr gut! Kannst du das denn nachvollziehen?
Kerstin: Ich finde das total toll. Ich hätte eigentlich gedacht, dass es bei der Sportlerin des Jahres mehr um Leistung geht. Umso mehr habe ich natürlich gefreut, dass auch das ehrenamtliche Engagement gewürdigt wird! Das hat mich sehr begeistert!
Patricia: Und das vollkommen zu Recht! Die Zeit, die Ideen, die Motivation und das über Jahre hinweg – da können sich der TSV und alle Eltern wirklich glücklich schätzen! Bleibt dabei auch mal jemand oder etwas auf der Strecke?
Kerstin: Wahrscheinlich das Haus (lacht). Wenn was mit Handball oder unseren Kindern ist, geht das bei uns einfach vor!

Patricia: Was wünscht du dir denn für die Zukunft? Sowohl für dich als auch die Arbeit im TSV?
Kerstin: Hm…aktuell wünsche ich mir, dass wir alle unseren Sport wieder normal ausführen können. Durch die Einschränkungen erfordert es viel Fantasie etwas auf die Beine zu stellen, um den Kindern gerecht zu werden. Ansonsten wünscht man sich natürlich, dass man noch lange fit und gesund bleibt. Damit die Kinder auch noch Lust haben, etwas mit mir zu machen. Ich fürchte, dass irgendwann der Punkt kommen wird, an dem das nicht mehr passt vom Abstand her. Aber im Moment habe ich noch das Gefühl, dass sie mich akzeptieren und es passt. Und das darf gerne noch ganz lange so weiter gehen!
Patricia: Das heißt du hast noch Lust dich weiter mit einzubringen?
Kerstin: Absolut! Natürlich gab es auch Jahre, in denen das mal nicht so war. Es hängt immer mit dem Engagement der Kinder und auch der Eltern zusammen. Das muss nicht die Leistung sein, denn auch die Stimmung muss passen. Und das ist aktuell der Fall. Ich habe tolle Truppen und freue mich auf alles, was noch vor uns liegt!
Patricia: Das klingt sehr gut. Dann hoffen wir, dass das noch viele Jahre so bleiben wird und bedanken uns ganz herzlich für alles!